Cover der Studie Geoökonomischen Werkzeuge der Europäischen Union. Weltkarte in Türkis.

Die neuen geoökonomischen Werkzeuge der Europäischen Union

Wirtschaftliche Abhängigkeiten werden zunehmend für geopolitische Zwecke instrumentalisiert. Die EU reagiert hierauf mit einer Reihe neuer Schutzinstrumente. Diese Studie bietet eine Übersicht der neuen Instrumente, die Probleme, die sie lösen sollen und die entsprechenden Entscheidungsmechanismen. Effektiv sind sie dann, wenn sie eng mit Instrumenten zur Steigerung der wirtschaftlichen Resilienz verknüpft sind und die Mitgliedstaaten entschieden gemeinsam handeln.  

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Etienne Höra
Project Manager
Foto Stefani Weiss
Stefani Weiss
Senior Expert EU Governance, Foreign and Security Policy

Inhalt

Die internationale Lage ist von zunehmenden geopolitischen Spannungen geprägt, die zu einer Instrumentalisierung wirtschaftlicher Dependenzen führen. Die EU hat hierauf – insbesondere seit 2019 – mit einer Reihe neuer Instrumente reagiert, die sie vor unfairem Wettbewerb schützen sollen, etwa durch Dumping und Subventionen, aber auch vor Zwangsmaßnahmen, die durch wirtschaftlichen Druck politische Veränderungen erzwingen sollen.

Für einen effektiven Einsatz der Instrumente müssen die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Strategie entwickeln und auf deren Basis entschlossen handeln.  

Der EU ist es gelungen, durch die neuen Instrumente wichtige Schutzlücken zu schließen. Weitere Maßnahmen wurden im Januar 2024 durch die EU-Kommission vorgeschlagen. Diese sind allerdings teilweise noch in einem frühen Entwicklungsstadium, insbesondere gemeinsame Exportkontrollen für Schlüsseltechnologien und die Kontrolle von EU-Investitionen in Drittstaaten in Bezug auf diese Technologien.  Die meisten der neuen handelspolitischen Instrumente können nur eingesetzt werden, wenn der Rat der Europäischen Union mit einer qualifizierten Mehrheit zustimmt. Deshalb besteht die Gefahr, dass nationale Sonderinteressen und Bedenken ein effektives Handeln der EU verhindern oder zumindest verzögern. Dem könnte eine klare strategische Vision der Mitgliedstaaten entgegenwirken, die internationale Bedrohungen für die wirtschaftliche Sicherheit der EU realistisch einordnet und entsprechende Maßnahmen mit Blick auf europäische Ziele und Interessen begründet. 

Die Verbindung von Schutz- und Förderinstrumenten ist entscheidend für den Erfolg der EU im geoökonomischen Zeitalter.    

Die verabschiedeten Schutzinstrumente können die EU und ihre Unternehmen vor wirtschaftlichem Schaden bewahren, schaffen aber nicht selbst schon wettbewerbsfähige Industrien. Oft ist ihre Wirkung zeitlich begrenzt. Entscheidend ist deshalb die Verbindung mit Maßnahmen, die die Wirtschaft der EU stärken und resilienter machen, etwa durch groß angelegte Investitionen in Dekarbonisierung, Digitalisierung und weitere Zukunftstechnologien und die Vertiefung des europäischen Binnenmarktes. 

Alle Schutzmaßnahmen wie die Stärkung der eigenen Wirtschaftsbasis entbinden die EU nicht, sich zu einer strategischen Akteurin zu entwickeln, die neben dem handelspolitischen auch das außen- und sicherheitspolitische Instrumentarium beherrscht. Gelingt das der EU nicht, wird sie kaum auf Augenhöhe mit Mächten wie den USA, China oder Russland die künftige Weltordnung entsprechend ihren Interessen und Werten mitgestalten können. Soft power, die auf einem attraktiven, weil nachhaltigen Wirtschaftsmodell beruht, ist eine notwendige, aber eben keine hinreichende Bedingung mehr, um in einer Zeit, in der Wirtschaft und Sicherheit die beiden Seiten einer Medaille sind, zu bestehen.